Drei Wochen Menschlichkeit
Unser stellvertretender Bereitschaftsleiter half im Hochwassereinsatz im Ahrtal mit: Im Stab des DRK Einsatzlagers in Koblenz koordinierte er drei Wochen lang die DRK-Helfer und das Material für die Einsätze im Katastrophengebiet.
Eigentlich hatte ich im November 2021 ich einen Lehrgang an der Bundesakademie für Katastrophenschutz belegt. Der wurde aber auf Grund der Corona-Pandemie abgesagt. Als dann über die Kreisbereitschaftsleitung die Anfrage des DRK General-Sekretariats nach Helfern für den Hochwassereinsatz im Ahrtal kam, war ich schnell begeistert davon, mich dort zu engagieren: Mitarbeit in der Führung des DRK Bereitstellungsraumes Koblenz vom 6. bis 27. November. Dann würde mich der normale Alltag wiederhaben.
Am Tag vor der geplanten Abfahrt wurde es plötzlich hektisch: Zunächst kam der Anruf unseres Kreisbereitschaftsleiters, ob ich nicht noch 20 Kraftstoffkanister aus dem DRK Katastrophenlager in Kirchheim/Teck mit nach Koblenz nehmen könnte. Diese würden dort dringend benötigt. Kaum waren die Kanister eingeladen kam schon der nächste Anruf: Der dortige Einsatzabschnittsleiter fragte, ob ich nicht früher kommen könnte, denn dann könnet die Übergabe der Aufgaben besser geregelt werden. Also schnell alles packen und um 18 Uhr ging’s auf dem Weg nach Koblenz. Nach er Ankunft um 21:45 Uhr in Koblenz die nächste Überraschung: Ich werde die nächste Woche hier als Einsatzabschnittsleiter eingesetzt werden. Um einen ersten Eindruck zu bekommen, was ich denn so von mir erwartet würde und wie wichtig das ist, ging’s direkt noch am Abend in das Schadensgebiet ins Ahrtal.
Es war zwar Nacht, jedoch war schon von weitem klar, das DRK wird hier wirklich gebraucht! Es ist unvorstellbar, was für eine Kraft der Zerstörung die Natur entwickeln kann: Das mir bekannte Ahrtal aus früheren Zeiten gibt es nicht mehr! Es fehlt einfach alles: Häuser, Bäume, Bundesstraßen, … Auf den noch vorhandenen Straßen gibt es kein Licht, die Häuser sind ohne Strom. Zusätzlich sind viele Häuser sind stark beschädigt, überall liegt Schutt. Dieser Anblick hat mich sehr bewegt und getroffen! Aus dem Rettungsdienst ist man viel Leid gewohnt, aber hier sah es fast aus wie im Krieg.
Am meisten beeindruckten mich in dieser Nacht jedoch die Bürger der Gemeinden durch die wir fuhren. Alle lächelten uns an, winkten und zeigten sich dankbar. Ich fragte mich wofür? Was habe ich getan? Ich bin doch noch gar nicht lange hier. Aber Sie dankten dem DRK. Dafür das Kameradinnen und Kameraden in den letzten Wochen Ihnen geholfen und sie unterstützt haben. Das hatte ich bisher so noch nie erfahren und wird mir noch lange in Erinnerung bleiben!
Müde und tief beeindruckt ging’s um 3:30 Uhr ins Bett. Um 07:00Uhr ging’s dann aber schon an die Übergabe der Aufgaben durch meinen Vorgänger, denn mit dem Schichtwechsel um 12.00Uhr war ich der Einsatzleiter. Nun begann die eigentliche Arbeit mit dem Stab des Bereitstellungsraums: Tanktouren für Notstromaggregate, Versorgungstouren, Werkstatttermine für den Fuhrpark organisieren, Inventur der Gerätschaften zu machen und viele kurzfristige Aufgaben zu übernehmen. Glücklicherweise wurde ich dabei von einem sehr motivierten und wissenden Team unterstützt.
Tagesablauf für die nächsten Wochen gestaltete sich meistens recht ähnlich: Ab 6.30 Uhr Vorbereitung des Tagesappells. Um 7:30Uhr wurden die Einteilung und die anstehenden Aufgaben sowie wichtige Informationen an die Helfer herausgegeben. Um 9 Uhr fand die Sitzung mit der Gesamteinsatzleitung statt und um 12 Uhr die Telefonkonferenz mit dem DRK Generalsekretariat in Berlin. In beiden Runden wurden Informationen ausgetauscht und das weitere Vorgehen besprochen. Viel zu schnell war es dann 17 Uhr: Die Helfer waren mit ihren Tagesaufgaben fertig und auf dem Hof. Denn nun galt es die Fahrzeuge für den nächsten Tag auszurüsten. Als Abschnittsleiter musste nun noch die „20Uhr Tagesschau“ vorbereitet werden. Die Tagesschau war für alle Helfer jedes Mal das Highlight des Tages: Was war am Tag passiert, welche neuen Aufgaben erwarteten uns aus Berlin und abschließend ein kleiner Ausblick für die nächsten Tage.
Ob dieses Arbeitspensums verging die erste Woche wie im Fluge. Am Samstag übergab ich meine Aufgabe als Einsatzleiter an meinen Nachfolger. Im selben Zug übernahm ich nun für die folgenden 2 Wochen die Funktion des S3 im Stab. Der S3 zeichnet für die Einsatzplanung verantwortlich.
Das Arbeitspensum war nicht geringer als in der ersten Woche: Unter anderem musste ich herausfinden, wo denn unsere Autos verblieben waren. Bei über 200 DRK Fahrzeugen im Einsatzgebiet war es gar nicht so einfach den Überblick zu behalten. Da viele Fahrzeuge schon mehrere Monate im Einsatz waren, galt es Inspektionen durchführen zu lassen oder auch TÜV-Plakette zu erneuern.
Auch in der dritten Einsatzwoche wurde ich als S3 eingesetzt. Das Team war zwar etwas kleiner, was kein Problem, da wir uns gegenseitig hervorragend ergänzten. Neben den weiterhin bestehenden Aufgaben im Schadensgebiet wurde nun aber auch mit der Planung des Rückbaues unseres Bereitstellungsraums in Koblenz angefangen. Denn zum Jahresende 2021 sollte dieser aufgelöst werden. Immerhin war das DRK nun schon über 6 Monate im Einsatz und so langsam sollte der Übergang von der Hilfe zur Selbsthilfe zur reinen Selbsthilfe geschafft werden. In diesem Zuge würde auch die Verantwortung und Organisation an den DRK Landesverband Rheinland-Pfalz übergehen. Für uns bedeutete dies vor allem zusätzlich Fahrzeugrückführungen und Materialtouren zu organisieren.
Jeden Tag wurde mir aufs Neue bewusst, wie sinnvoll die Arbeit im Zeichen des DRK im Katastrophengebiet war: Beispielsweise meldete sich ein Kamerad, der selbst von der Flut betroffen war, um täglich mitzuarbeiten. Er hatte nahezu alles verloren und trotzdem er half seinen Mitmenschen. Dieser Kamerad war gleichzeitig ein Beispiel für eine gelungene Integration, da er erst vor wenigen Jahren als Flüchtling aus Syrien zu uns nach Deutschland gekommen war!
Rückblickend habe ich aus diesen 3 Wochen viele großartige Erinnerungen und Erlebnisse mitgenommen, tolle Kameraden kennengelernt und in einem Team aus hochmotivierten DRK’lern gearbeitet. Vor allem aber konnte ich den Menschen im Ahrtal helfen!